Baumhütte

Veröffentlichung am 04.01.2004
Nach Vorstoß einer Grünen-Politikerin muss der Landrat diese Frage beantworten.

baumhuette

Brauchen Kinder
für Baumhütte
Genehmigung?

Von Karl Pickhardt (Text) und Wolfram Brucks (Foto) Hövelhof/Espeln (WV). Darf eine schlichte Baumhütte aus Brettern und Blech ohne Baugenehmigung und Zustimmung der Behörden gebaut werden? Diese Frage muss demnächst Landrat Dr. Rudolf Wansleben am Furlbach in Espeln beantworten. Dort haben Kinder und Jugendliche zwischen vier Erlen während der Sommerferien zweieinhalb Meter über dem Boden eine kleine Baumhütte gezimmert.

Der Bretter- und Blechverschlag ist offenbar der bündnisgrünen Fraktionsvorsitzenden Doris Hänsdieke (52) ein Dorn im Auge.Sie fragte in der jüngsten Hövelhofer Ratssitzung nach der Zulässigkeit dieser Baumhütte, – und brachte damit den Stein ins Rollen. Sechs Kinder und Jugendliche (14 und 15 Jahre alt) bangen nun um ihr kleines Paradies am Furlbach.
»Ich kette mich mit den Jungen an«
Bürgermeister Werner Thor (55) muss nach dem Hänsdieke-Vorstoß die »Espelner Baumhütten-Affäre« der Unteren Landschaftsbehörde und dem Kreisbauamt im Paderborner Kreishaus vortragen, damit Landrat Wansleben und seine Behörden die Angelegenheit nach den Buchstaben des Gesetzes überprüft. Vermutlich ein einmaliger Vorgang in Nordrhein-Westfalen. In Espeln schüttelt auch CDU-Ratsherr Gregor Schlingmann über den »Baumhütten-Angriff« den Kopf. Der 60-jährige Kommunalpolitiker hat Verständnis für seine Dorfjugend und ist froh, dass die Jung’s lieber werkeln und eine Baumhütte bauen, statt ständig vor dem PC oder Fernseher zu hocken. »Wer eine Baumhütte baut, nimmt keine Drogen«, weiß der Landwirt. Er bricht für die sechs Jungen eine Lanze: Nach dem Bau der Baumhütte hätten sie sogar noch einen Festwagen für den großen Erntedankumzug Anfang September gebaut. Matthias Austermeier, Christopher Brauckmann, Stefan Siegenbrink (alle 14), Michael Beringmeier (15) und ihre Freunde haben in den Sommerferien jede Freizeitstunde an ihrem Baumhaus gewerkelt. Mit dem Fahrradanhänger schleppten sie Bretter, Latten und Blech zur Baustelle zwei Kilometer vom Dorf entfernt.
In der Hütte hören sie Radio (Batterie) oder Discman und spielen Karten. Die Bretterbehausung ist ihr kleines Reich. Wenn die Leiter hochgezogen ist, sind die Espelner Jungen ungestört. In Sommernächten haben sie dort manchmal sogar geschlafen. Ferienidylle wie auf einem Zeltplatz. Gregor Schlingmann und die jungen Hüttenbauer sind nun gespannt, wie Behörden aus der Hänsdiekschen Zwickmühle herausfinden. Der CDU-Ratsherr mag nicht glauben, dass Behörden für Baumhütten aus Kinder- und Jugendhand Baurecht anwenden. »Sollte Jemand diese Hütte abholzen wollen, kette ich mich mit den Jungen dort an«, verspricht Hütten-Verteidiger Gregor Schlingmann.

Veröffentlichung am 08.01.2004
Kreisdirektor Heinz Köhler:
»Haben aus Haftungsgründen keine andere Wahl«Sicherheitscheck für Baumhütte in Espeln

Von Bernhard Liedmann Espeln (WV).
Bei der Baumhütte in Espeln ist jetzt die Behördemmaschinerie in Gang gesetzt worden. Kreisdirektor Heinz Köhler machte sich direkt vor Ort ein Bild, jetzt wird ein Baukontrolleur die Frage der Sicherheit des »Bauwerkes« noch genau untersuchen. Köhler auf Anfrage des WV: »Wir müssen zunächst klären, ob es sich um eine bauliche Anlage handelt. Dann muss allein aus haftungsrechtlichen Gründen die Sicherheit untersucht werden.« Für eine »Kinderei« jedenfalls sei die Baumhütte zu massiv. Drei Meter über dem Boden hinge schließlich ein »Riesenteil«.

 Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen Doris Hänsdieke hatte in einer Ratssitzung im Dezember den Stein ins Rollen gebracht. Bei einem Spaziergang hatte sie das Haus entdeckt. Von der Hütte ginge eine Lärmbelästigung aus, die Behörden müssten tätig werden, forderte sie in der Ratssitzung. Die Existenz des Bauwerkes war damit öffentlich und den Behörden bekannt, jetzt konnte nichts mehr stillschweigend im Papierkorb verschwinden. Die Gemeinde Hövelhof schickte vor Weihnachten ein Protokoll dieser Ratssitzung an den Kreis Paderborn, der sich jetzt um den Bretter- und Wellblechverschlag am Rande von Espeln beim Furlbach kümmern muss. »Wir müssen den Fall untersuchen«, so der Kreisdirektor. Wenn beispielsweise einer der Jugendlichen sich dort schwerwiegend verletzen würde, könnte der Kreis Paderborn haftungsrechtlich belangt werden. Bei einem Unfall mit Folgeschäden könnten etwa Ansprüche an die Krankenkasse abgetreten werden, die ihrerseits im Nachhinein dem Kreis Untätigkeit vorwerfen würde. Selbst wenn alles baurechtlich irrelevant sei, bliebe immer noch die Frage der Sicherheit. Und hier sieht der Kreisdirektor und Vertreter des Landrates beim Baumhaus ebenfalls Probleme. Deshalb soll ein Vertreter des Kreises auch von innen die Hütte unter dem Sicherheitsaspekt begutachten. Immerhin, so Köhler, seien massive Materialien verwendet worden, der Wind könnte Teile des Hauses herausfegen und damit ebenfalls eine Gefährdung darstellen. Nur wenn der Kreis Paderborn keine Bedenken bezüglich der Sicherheit habe, werde der Akt an die Gemeinde Hövelhof zurück gehen. Juristisch werde man jedenfalls alles genau prüfen, damit man sich nicht der Lächerlichkeit preis gebe. Dass die Jugendlichen ihr Baumhaus illegal ohne Wissen des Geländeigentümers errichtet haben, ist jedenfalls kein Ansatzpunkt für einen Abriss.
»Unverständnis für Verfahren«
In der Ratssitzung hatte der Espelner CDU-Ratsherr Gregor Schlingmann bereits unterstrichen, dass der Eigentümer den Jugendlichen die Erlaubnis zum Bau gegeben habe. Schlingmann äußerte schon kurz nach der damaligen Ratssitzung sein Unverständnis über das gesamte Verfahren. Der 60-Jährige hatte Verständis für »seine« sechs Jungs im Alter von 14 und 15 Jahren. Es sei besser, dass sie werkeln und eine Baumhütte bauen, als dass sie vor dem PC oder Fernsehen hocken, so der Landwirt. Über dem »kleinen Reich« von Matthias Austermeier, Christopher Brauckmann, Stefan Siegenbrink, Michael Beringmeier und ihren Freunden schwebt jetzt die Abrissbirne. In der Hütte hatten sie in Sommernächten bereits geschlafen, abgedichtet wurde das in der Regel mit einem dicken Schloß verriegelte Häuschen sogar mit PU-Schaum gegen den Wind. Hinein kommt man ohnehin nur mit einer Leiter. Mit der Beschaulichkeit ist es jetzt aber vorbei. Paragraphen und Vorschriften haben die Regie übernommen, jetzt wird geprüft, ob nach der Bauordnung des Landes die Hütte am Furlbach genehmigungspflichtig ist. In der kommenden Woche soll die Entscheidung innerhalb der Behörde fallen. Dann bekommt das Baumhaus vom Kreis Paderborn entweder ein »TÜV-Siegel« für »Geprüfte Sicherheit« oder wird einfach abgerissen.

Vielen Dank an Karl Pickhardt (Text) und Wolfram Brucks (Foto) und dem Westfälischen Volksblatt für die Genemigung der Veröffentlichung.

Am 09.01.2004 wurde ein Bericht in Lokalzeit OWL im WDR Fernsehen gesendet.