Schlacht am Haspelkamp

„Die Schlacht am Haspelkamp
in Espeln am 14. März 1604


Bild des Westenholzer Schlings
der Espelner muß ähnlich ausgesehen haben.

Das Massaker an den Bauern des Delbrücker Landes durch spanische Meuterer.

Als sich am 14. März 1604 die Bevölkerung des Delbrücker Landes zum sonntäglichen Gottesdienst versammelten, ahnte wohl keiner, dass der Landstrich an der Nordwestgrenze des Hochstifts Paderborn vor dem schlimmsten Tag seiner Geschichte stand. Etwa 20 % der Bevölkerung sollten den nächsten Tag nicht mehr erleben. Viele würden verletzt, verstümmelt oder ihrer Häuser beraubt sein. Ein riesiger spanischer Heerhaufen würde das Ländchen bis zum Abend völlig verwüsten.

Die Spanier
Woher kamen diese spanischen Söldner? Sie kamen aus den benachbarten Niederlanden! Der Freiheitskampf der Niederländer gegen die spanischen Habsburger, der 80 Jahre währte und erst mit dem westfälischen Frieden von 1648 endete, hatte erhebliche Auswirkungen auf Westfalen. Immer wieder machten sich kleinere oder größere Heerhaufen selbständig und fielen plündernd und mordend in Westfalen ein. Auch das Delbrücker Land hatte nicht zum ersten Mal unter den Auswirkungen zu leiden. So hatte am 30.12.1590 ein niederländisches Corps unter dem Grafen von Oberstein das Land heimgesucht. Die Höfe wurde geplündert und viele gingen in Flammen auf. Ein Großteil des Viehs wurde von den Holländern geraubt. In den Jahren 1595 und 1597 gab es weitere Überfälle durch holländische Söldner, die aber abgewehrt werden konnten. Auch spanische Truppen hatten das Hochstift bedroht, so 1598/99 durch den Admiral Mendoza. Um dieser Gefahr zu widerstehen, hatten im 1599 hessische Truppen das Hochstift unterstützt.
Im Frühjahr 1604 war es aber ein ungewöhnlich großer Trupp, der auf das Hochstift Paderborn zu marschierte. Die Großmacht Spanien war nach dem Untergang der Armada 1588 zunehmend in Schwierigkeiten geraten und kaum noch in der Lage, den teuren Kampf gegen die Holländer zu finanzieren. Die Soldaten wurden schlecht und häufig gar nicht bezahlt. Kein Wunder also, dass sie meuterten. 6.000 Söldner setzten über den Rhein. Über den Hellweg bewegten sie sich auf das Hochstift Paderborn zu. Als immer deutlicher wurde, dass die Spanier die Hauptstadt Paderborn angreifen wollten, trat man mit ihnen in Verhandlungen. Gegen Zahlung von 12.000 Reichstalern, sollte die Stadt verschont werden. Tatsächlich erschienen die Meuterer am 13.März 1604 vor den Toren Paderborns. Die Stadt wäre aber auch für einen Angriff gut gerüstet gewesen. So zogen die spanischen Freibeuter weiter und bezogen in Schlangen und Kohlstädt ihr Nachtquartier.

kleinWegderSpanier

Die konfessionellen Gegensätze
Bevor wir uns wieder den Geschehnissen in Delbrück zuwenden, ist es notwendig, auf die konfessionelle Spaltung innerhalb des Hochstift Paderborns einzugehen. In weiten Teilen des Hochstifts Paderborn herrschte das lutherische Bekenntnis vor. Vor allem die Städte hatten sich dem neuen Glauben zugewandt. Auf der anderen Seite stand mit Dietrich von Fürstenberg ein ehrgeiziger und tatkräftiger Landesherr, dessen oberstes Ziel es war, sein Hochstift wieder dem katholischen Glauben zurück zu führen. Gerade mit seiner Hauptstadt Paderborn lag er in einem heftigen Streit. Es war bereits absehbar, dass der Konflikt möglicherweise militärisch entschieden werden würde.
Die Spanier, als „katholische Macht“, hatten in diesem Zusammenhang einen besonderen Ruf. 1599 hatte Dietrich von Fürstenberg mit Hinweis auf entsprechende Drohschreiben des Admirals Mendoza, noch die lutherische Marktkirche in Paderborn schließen lassen können. Und auch jetzt gab es sicher nicht Wenige, die zwischen den Spaniern und dem Fürstbischof zumindest ein stillschweigendes Einverständnis vermuteten.
Ob Delbrück zum fraglichen Zeitpunkt mehrheitlich oder in Gänze lutherisch war, lässt sich nicht ausschließen, ist aber nicht wahrscheinlich. Protestantische Tendenzen sind in Delbrück durchaus feststellbar. Wenn beispielsweise der eindeutig katholische Pastor des Ortes Johannes Förster gelegentlich einer Kirchenvisitation 1575 behauptet, dass etliche Delbrücker nicht mehr den Gottesdienst besuchten, da er die Kommunion lediglich unter einer Gestalt austeile, so ist dies ein deutlicher Hinweis auf das Eindringen der lutherischen Lehre ins Delbrücker Land. Doch hätte vermutlich der Übertritt der gesamten Delbrücker Gemeinde zum neuen Glauben irgendwo seinen quellenmäßigen Niederschlag gefunden, da dies zum Konflikt mit dem Bischof geführt hätte.

Die Spanier im Delbrücker Land
In Delbrück werden laufend Nachrichten eingegangen sein und man wird den Zug der Spanier sehr genau verfolgt haben. Man wusste also, dass die Meuterer an Paderborn vorbei und ins Lippische gezogen waren. Die Delbrücker waren daher überrascht, als am Sonntag den 14.März 1604 die Spanier ins Land eindrangen. Sie hatten vom Grafen von der Lippe noch 4.000 Taler erpresst und machten dann kehrt um auf Rietberg zu marschieren. Der übliche Weg hätte sie nördlich am Delbrücker Land vorbeigeführt. Vermutlich waren es die im Frühjahr schlechten Wegverhältnisse, die sie südlich durchs Delbrücker Land führten. Sie werden auf dem Detmolder Weg bei der Espenschlinge in Espeln das Land betreten haben und es an der Neuen Brücke in Steinhorst wieder verlassen haben.

Die Delbrücker Wehranlagen
Neben der Kirche, die ihren wehrhaften Charakter im gerade beginnenden 17. Jahrhundert noch nicht verloren haben dürfte, verfügten die Delbrücker über zwei natürliche Fluchtburgen. Zunächst ist der Haspelkamp zu nennen, einem leicht erhöhten Gelände an der Mündung des Hallerbaches in die Ems bei Espeln. Rund herum war sumpfiges Gelände und es gab nur einen Zugang, der leicht zu verteidigen war. Der Haspelkamp lag strategisch günstig nicht weit von der Espenschlinge entfernt am Detmolder Weg. Auch die wichtigste Straße durch das Delbrücker Land, die Verbindung Paderborn nach Münster lag nicht weit entfernt. Denn in früheren Zeiten führte dieser Weg nicht über den Ort Delbrück, sondern von Sande kommend über Ostenland zur Neuen Brücke in Westerloh-Steinhorst.
Eine weitere Wehranlage lag ebenfalls in der Nähe dieser Straße in Westerloh. Sie wurde, wohl mit Blick auf die Flucht Jesu, „Ägypten“ genannt. Auch sie war eine erhöhte Stelle in den Emsniederungen die schwer zugänglich war. Der Zugang konnte zudem noch künstlich unter Wasser gesetzt werden.

Hilger Jo, Hilger Jo tom Haspelkamp hento
Wenn der Ruf „Hilger Jo, Hilger Jo tom Haspelkamp hento“ durch das Land schallte, wusste jeder Delbrücker das Feinde im Land waren. Die Männer ergriffen ihre Waffen und eilten zum Haspelkamp, Frauen und Kinder versuchten die wichtigste Habe und das Vieh in Sicherheit zu bringen. So wird es auch am Vormittag des 14. März gewesen sein. Die wehrfähigen Männer beobachteten vom nahen Haspelkamp aus den Durchzug der Spanier. Nach Klöckner eröffneten dann aber Heißsporne das Feuer auf die Nachhut der Spanier. Zwei vornehme Soldaten – also wohl Offizier – wurden getötet. Der gesamte Heerhaufen machte daraufhin kehrt und griff nun seinerseits die Delbrücker an. In der folgenden Schlacht waren die Delbrücker der gutausgebildeten Soldateska hoffnungslos unterlegen. Die Spanier scheinen die Delbrücker eingekesselt und dann den Haspelkamp gestürmt zu haben. Da der schützende Sumpf wegen des strengen Winters noch gefroren war, konnten sie ungehindert darüber setzen. So brachen sie an unterschiedlichen Stellen gleichzeitig durch und machten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Allein am Haspelkamp sollen 400 Tote und über 100 Verletzte zurückgeblieben sein.
Anschließend verwüsteten die Spanier weite Teile des Delbrücker Landes. Die Quellen sprechen davon, dass 40 Höfe durch das Kriegsvolk in Brand gesteckt wurden. In einem Bericht über die Ereignisse ist sogar von 60 Höfen die Rede. Es ist davon auszugehen, dass es vor allem die Höfe in der Nähe des Haspelkamp, d.h. die Höfe in Espeln und entlang der wichtigsten Wege getroffen haben dürfte.
Es wird von schrecklichen Greueltaten berichtet. So habe ein Spanier eine Frau mit samt ihrem Kind in ein brennendes Haus treiben wollen. Sie hielt das Kind vor sich, worauf der Soldat durch das Kind die Mutter erstach.
Als sich die Wut der Spanier gelegt hatte, erpressten sie noch 1.000 Taler von den Delbrückern, bevor sie nach Rietberg weiterzogen. Mehr als 400 vermutlich jedoch bis zu 700 Menschen aus dem Delbrücker Land und den angrenzenden Gebieten scheinen ums Leben gekommen zu sein. Bedenkt man, dass das Land Delbrück zu diesem Zeitpunkt nur etwa 3.000 bis höchstens 3.500 Einwohner hatte, so war dies ein gewaltiger Blutzoll.

Die weitere Entwicklung
Möglicherweise sind ein Teil der Spanier vom Grafen von Rietberg angeworben worden. Jedenfalls ist dies von einigen Schriftstellern, die sich mit diesem Thema befasst haben, behauptet worden, ohne jedoch einen quellenmäßigen Beweis dafür vorzulegen. Der Rietberger sammelte tatsächlich zu diesem Zeitpunkt Truppen, angeblich um damit seinen Bruder in Ostfriesland zu unterstützen. Tatsächlich sollten die angeworbenen Soldaten jedoch auf Paderborn geführt werden.
Immer wieder wird der Delbrücker Karnevalsbrauch des Kranzreitens auf das Ereignis im Jahr 1604 zurückgeführt. Beweisbar ist dies nicht, denn es ist leider nicht möglich, den Brauch über 400 Jahre zurück zu verfolgen. Tatsache ist aber, dass seit alters her die Kranzreiter, die am Rosenmontag bei einem Reiterspiel die Königswürde erlangen wollen, in spanischen Reitertrachten antreten, wie sie im beginnenden 17. Jahrhundert üblich waren.
Psychologisch gesehen wäre das Kranzreiten dann als eine Art Traumabewältigung zu sehen. Macht und Gewalt üben auch auf den, der darunter zu leiden hat, eine Faszination aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Den Aggressor nachzuahmen, sich sogar mit ihm zu identifizieren, ist Teil menschlicher Strategien, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. So ist es durchaus möglich, dass die Delbrücker die Reiterspiele der Spanier nachgeahmt haben. Wenn tatsächlich spanische Soldaten vom Rietberger angeworben wurden, hätten sie auch ausreichend Gelegenheit gehabt, sich deren Reiterspiele anzusehen. Denn die angeworbenen Söldner des Rietberger Grafen wurden bis zu ihrem Einsatz gegen die Stadt Paderborn im April 1604 im Delbrücker Land stationiert.
Der Großteil der spanischen Freibeuter zog aber weiter und setzte Westfalen und angrenzende Gebiete in Angst und Schrecken. Ihr Ruf wurde durch die Ereignisse in Delbrück noch verstärkt, sodass sie verschiedene Stifte und Länder um etliche tausend Reichstaler erpressen konnten.

Köllner – Historische Dienstleistungen